Mit „Oceane“ gelingt der Deutschen Oper Berlin ein großer Wurf

Mit „Oceane“ gelingt der Deutschen Oper Berlin ein großer Wurf
© Bernd Uhlig

Die Deutsche Oper Berlin hat die Uraufführung dieser nach einem Fontane-Fragment entstandenen Oper geschickt geplant, Fontane ist im Jahr seines 200. Geburtstages in aller Munde.

Anders als der Untertitel „ein Sommerstück“ vermuten ließe, ist das Werk aber eher düster, dieser Sommer klingt traurig aus, nicht nur im stimmungsvollen, zeitweise an Caspar David Friedrich erinnernden Bühnenbild.

Glanerts Musik ist keineswegs nur den Text illustrierende „Literaturoper“, sie drängt permanent vorwärts, ist melodiös, anspruchsvoll instrumentiert und sie enthält vor allem sehr dankbare Gesangspartien. Der Komponist versteht es, jede der handelnden Personen gut zu charakterisieren, für die Titelfigur Oceane bietet er alle Farben des Orchesters auf, von zartem Pianissimo der Violinen über den orgiastischen Tanzrhythmus im zweiten Bild bin zum elegischen Verströmen in Streicherklängen am Ende.

Die geheimnisvolle Geschichte der „Frau vom Meer“ die unter den Menschen keine Heimat findet, ein beliebtes literarisches Motiv, wird hier äußerst stringent erzählt. Die Handlung schreitet schnell voran, die Zahl der handelnden Personen ist überschaubar. So entsteht eine große Dichte, die den Spannungsbogen über die gesamte Dauer des Stückes zu erhalten vermag. Ein erster Höhepunkt ist der ekstatische Tanz in der Ballszene des zweiten Bildes. Anfangs lässt Glanert die Gesangslinien den Rhythmus der gerade gespielten Polkas und des Galopp aufnehmen, ehe er für Oceanes wilden Tanz eigene Motive findet.

In Maria Bengtsson hat der Komponist eine ideale Interpretin der Hauptrolle zur Verfügung. Es scheint, als habe er der Sängerin die Partie förmlich „auf den Leib geschrieben.“ Bengtsson, in Berlin inzwischen an allen drei Opernhäusern anzutreffen, hat sich in weiser Beschränkung bisher zumeist im lyrischen Fach profiliert. Der Partie der Oceane fehlt es  nicht an großen Ausbrüchen, die doch ein erhebliches Stimmvolumen erfordern, Bengtsson meistert aber auch diese Passagen mit Bravour. Die Stimme strömt frei und sicher, das schöne Timbre kann sich voll entfalten.

Äußerst anspruchsvoll auch die Partie des um Oceane werbenden Martin von Dircksen. Nikolai Schukoff setzt seinen kräftigen Tenor klug und gekonnt ein, bleibt  in der Wirkung aber ein wenig hinter seiner Partnerin zurück. Christoph Pohl und Nicole Haslett verkörpern das zweite Liebespaar, wobei Haslett die Rolle der etwas nervigen Frohnatur Kristina ein wenig übertreibt, aber das ist wohl eher der Regie geschuldet.

Albert  Pesendorfer charakterisiert den kantigen, barschen Pastor ganz ausgezeichnet, ebenso wie Stephen Bronk als Hausdiener Georg , hat Glanert den Sängern in seiner Musik eigenes Profil gegeben. Ein Kabinettstück ist die Madame Luise der wahrhaft unverwüstlichen Doris Soffel, die in der alternden Hotelbesitzerin eine neue Paraderolle gefunden hat.

Robert Carsens Regie ist im besten Sinne altmodisch: er erzählt die Geschichte so, wie sie geschrieben ist, findet für jede der Figuren eine glaubwürdige Verkörperung. Dankbar registriert man das Fehlen jeglicher unnötiger Verfremdung des Stoffes, der in sich geheimnisvoll genug ist.

Donald Runnicles leitet Chor und Orchester mit Umsicht, alle Beteiligten sind mit vollem Einsatz am Werk. Schon nach dem ersten Teil zeigt sich das Publikum äußerst angetan von der Novität, am Ende bricht großer Jubel aus, wie man ihn sonst eher nach geglückten Aufführungen von Belcanto- oder Wagneropern erlebt. Besonders gefeiert wird mit Recht Maria Bengtsson, die wesentlichen Anteil am Erfolg dieses neuen Werkes hat. Der Applaus will einfach nicht enden, was dazu führt, dass am Ende die gut geplante Applausordnung völlig aus dem Ruder läuft, was aber höchst sympathisch wirkt und die Freude aller Beteiligten am guten Gelingen deutlich macht.

Uraufführung Deutsche Oper Berlin, 28. April 2019
Detlev Glanert, Oceane, ein Sommerstück für Musik
Text nach Theodor Fontane, Hans-Ulrich Treichel

Zuerst veröffentlicht bei www.klassik-begeistert.de

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