Lise Davidsen schöpft aus dem Vollen

Lise Davidsen schöpft aus dem Vollen

Mit Spannung wurde das zweite Solo-Album des Norwegischen Shootingstars Lise Davidsen erwartet. Ihre erste CD, die ausschließlich den Komponisten Richard Wagner und Richard Strauss gewidmet war, zeigte die Sängerin bereits auf einem hohen stimmlichen und stilistischen Niveau. In der Zwischenzeit hat Davidsens Karriere mächtig an Fahrt aufgenommen, Debüts in Bayreuth und der New Yorker Metropolitan Opera wurden erfolgreich absolviert. Hätten wir keine Pandemie, wäre auch in der laufenden Saison viel Interessantes von der Sängerin zu hören gewesen. So muss sich ihre wachsende Fan-Geimeinde „nur“ mit einer neuen CD zufrieden geben.

Um es vorweg zu nehmen: auch mit dieser Veröffentlichung, die diesmal neben Wagner auch Beethoven, Cherubini, Mascagni und Verdi einschließt, beweist Lise Davidsen, dass sie in der ersten Reihe der Sopranistinnen angekommen ist. Beethovens Leonoren-Arie, zu Recht von allen Interpretinnen gefürchtet, stattet sie mit bereits hochdramatischer Kraft und einem leuchtenden Spitzenton aus, in der Konzertarie „Ah! Perfido“ zeigt sie auch die Beweglichkeit und lyrischen Qualitäten ihrer Stimme. Farbenreich und eindringlich gelingt ihr die Arie aus Cherubinis „Medea“. Für Mascagnis Santuzza bringt Davidsen auch den ausgreifenden Gesangsstil des Verismo ein, beweist damit ihre Stilsicherheit.

Das „Pace, pace“ der Leonora aus „La Forza del Destino“ und das „Ave Maria“ der Desdemona aus „Otello“ geben Davidsen Gelegenheit, auch ihre Pianokultur zu demonstrieren. An das Ende der CD gesetzt sind die Wesendonck-Lieder Richard Wagners. Hier besticht die Sopranistin nicht nur mit sorgfältiger, klarer Nuancierung, auch ihre Textverständlichkeit muss man als hervorragend bezeichnen. In Sir Mark Elder und dem London Philharmonic Orchestra hat Davidsen sensible Begleiter, die allen hier vertretenen Stilen gerecht werden.

Was Lise Davidsens Stimme so besonders macht ist die Leuchtkraft ihrer Höhe bei gleichzeitiger Wärme und Fülle der tieferen Register. Stellenweise ist man an ihre berühmten skandinavischen Vorgängerinnen erinnert. Vielleicht ist es ein gutes Zeichen, dass Davidsen ein ähnliches Repertoire – und die gleiche Plattenfirma – gewählt hat, wie ihre legendäre Landfrau Kirsten Flagstad. Auf die Entwicklung dieser Karriere darf man gespannt sein!

Lise Davidsen: Beethoven Wagner Verdi
DECCA 485 1607

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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