Jonas Kaufmann lädt zu einem unfrohen Klassentreffen

Jonas Kaufmann lädt zu einem unfrohen Klassentreffen

Ein Aufkleber auf der Hülle der neuen CD von Jonas Kaufmann bezeichnet diesen vollmundig als „The greatest tenor of his generation“ und bezeichnet seine Duettpartnerinnen als “six of the most celebrated sopranos“. Diese Einschätzungen kann, muss man aber nicht teilen.

Anlass für eine weitere intensive Beschäftigung mit den Opern Puccinis ist das 100. Todesjahr des Komponisten, das seine Aufführungszahlen einmal mehr kräftig in die Höhe treibt. Das Konzept von Kaufmanns neuer CD ist durchaus klug, der Star spielt unangefochten die erste Geige, aber die Verantwortung für das Gelingen verteilt sich eben doch auf mehrere Schultern.

Der Dirigent Asher Fisch hat mit dem Orchester des Teatro Comunale in Bologna laut Booklet die Orchesteraufnahmen im Februar 2024 erstellt. Das wirft natürlich die Frage auf, in welcher Weise, wann und wo die sechs beteiligten Sopranistinnen auf den Zug aufgesprungen sind. Es ist schwer vorstellbar, dass es zu gemeinsamen Sitzungen gekommen ist.

Auch dagegen ist nichts einzuwenden, aber die Geschlossenheit der Interpretationen bestehen leider in erster Linie in der unfrohen und unfrischen Weise, in der die Duette abgeliefert werden. Da sind keineswegs nur von Kaufmann angestrengte, teilweise scharfe Töne zu hören. Sicher, es handelt sich um Musik des Verismo, aber ein wenig eleganter, runder dürfte das alles schon klingen. Und deutlich hörbar wird auch die bekannte Crux des heutigen Operngesanges: ein gut erkennbares, persönliches Timbre bringt heute kaum eine Sopranistin mehr mit. Da können auf dieser Scheibe wenigstens noch Anna Netrebko als kapriziöse Manon Lescaut und Asmik Grigorian als Giorgetta in Il Tabarro mit hohem Wiedererkennungswert punkten.

Pretty Yende, auch mit Ende Dreissig noch als Newcomerin gehandelt, gelingt als Mimi ein strahlendes C am Ende des Duetts, ansonsten hört man kaum etwas von ihr. Sonya Yoncheva als Tosca lässt keineswegs den Wunsch aufkommen, sie in der kompletten Partie zu erleben, da ist einfach zu viel Schärfe in der Stimme. Malin Byström gelingt das Gleiche mit der Minnie aus der Fanciulla del West, für die ohnehin spröde Rolle setzt sie einen ebensolchen, bereits gealterten Sopran ein. Maria Agresta schafft als Butterfly wenigstens so etwas wie rollendeckend zu wirken, eine ungetrübte Freude ist dieses Liebesduett aber ebenfalls nicht.

Irgendwie wirkt die gesamte Produktion ein wenig unfroh und unter Zeitdruck entstanden. Jonas Kaufmann befindet sich nun einmal unbestreitbar im Herbst seiner Karriere. Da ist immer noch viel von dem zu hören, was seinen Aufstieg zur Spitze befördert hat, aber eine gut dreißig Jahre währende Karriere hat auch auf seinen Stimmbändern Spuren hinterlassen.

Will er Piano singen, muss er die Töne ein wenig falsettieren, im forte wird die Stimme schnell zu groß und laut. Sein Stil ist diesen jugendlichen Helden nicht mehr wirklich angemessen, dass er ans Ende der CD die Arien des Rudolf und des Cavaradossi setzt, ist keine gute Idee. Er geht damit in die Pavarotti-Falle. Der italienische Startenor hatte im Herbst seiner Karriere den Fehler begangen, die immer gleichen Arien und Rollen an den gleichen Orten zu singen. So konnte, wer es hören wollte, den Abbau der Qualität seines Gesanges von Jahr zu Jahr miterleben.

Auch Jonas Kaufmann haftet die Last des „greatest tenors“ wie ein Bleigewicht an, dieser Ruf will verteidigt sein, neue CDs wollen die Popularität erhalten, und seine Plattenfirma hetzt den Tenor alljährlich zu Promotion-Konzerten für die jeweils neueste Scheibe um den Globus. Woher soll der Sänger also die Leichtigkeit nehmen, welche diesen jugendlichen Rollen gut bekommen würde?

Puccini: Love Affairs

Jonas Kaufmann

Anna Netrebko. Asmik Grigorian. Malin Byström.
Maria Agresta. Pretty Yende. Sonya Yoncheva

Orchestra del Teatro Comunale di Bologna
Asher Fisch

Sony 19802806702

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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