Diese Inszenierung von Janaceks erfolgreichster Oper stammt bereits aus dem Jahr 2012. Kritik und Publikum reagierten damals positiv, die Produktion ist schon länger auch auf DVD erhältlich. Der Blick ins Programmheft zeigt aber, dass diese Wiederaufnahme erst die insgesamt 10. Aufführung dieser Inszenierung ist.
Christof Loy, inzwischen fast schon der Hausregisseur der Deutschen Oper Berlin, hat einen etwas eigenwilligen Ansatz für das Stück. Obwohl die Handlung und ihre Figuren fest ins ländlich-bäuerliche Milieu eingebunden sind, zäumt er das Pferd sozusagen von hinten auf. Wir sehen zu Beginn die Küsterin bereits in Haft, sie erlebt die Handlung gleichsam retrospektiv. Dazu öffnen sich immer wieder kleinere, mal größere Segmente des weißen Bühnenhintergrundes und geben den Blick auf die ländlichen Szenen frei. Das ist nicht ohne Reiz. Warum allerdings Jenufa und die Großmutter in eleganten Pumps mit hohen Absätzen agieren müssen, die Männer teilweise Schlips und Kragen tragen, ist schwer nachvollziehbar. Sie alle scheinen in einem modebewussten Dorf zu leben.
Was Loy allerdings ausgezeichnet gelingt, ist die Personenführung. Über weite Strecken agieren die Sänger in einem weißen Raum, wohl des Gefängnisses der Küsterin. Das nimmt der Bühne zwar die Tiefe, verdichtet aber das Spiel der Protagonisten ungemein.
Donald Runnicles, schon 2012 am Pult, dirigiert mit viel Feingefühl Janaceks immer ein wenig nach Folklore klingende Musik. Der Komponist hatte sein Ohr genau am Volkston, alle Melodien sind zwar von ihm erdacht, gleichzeitig nehmen sie aber auch das Idiom des Landvolkes auf. Auch der Chor, der äußerst knifflige Einsätze hat, wird seiner Aufgaben gerecht.
Von der Sängerbesetzung der Premiere ist nur Ladislav Elgr als Steva übrig geblieben. Er glänzt mit seinem kräftigen Tenor, unterliegt aber seinem im Wettstreit mit ihm befindlichen Stiefbruder Laca in Gestalt von Robert Watson. Da scheint ein neuer Heldentenor heranzureifen, seine Höhe klingt heute bereits bombensicher und durchschlagskräftig. Man darf gespannt auf seine weitere Entwicklung sein!
Evelyn Herlitzius hat ihrem Rollenspektrum nun auch die Küsterin hinzugefügt. Durch ihre schauspielerischen Fähigkeiten scheint sie für diese Rolle prädestiniert, aber diese Partie will auch gesungen werden. Da stößt Herlitzius schon deutlich hörbar an Grenzen, in der Höhe verengt sich die Stimme bedenklich. An Wahrhaftigkeit des Ausdrucks und der Gestaltung ist sie aber wohl kaum zu übertreffen.
Als Jenufa ist zum erstenmal Rachel Harnisch zu erleben. Rein äußerlich ist sie ein eher spröder Typ, groß gewachsen und etwas hager. Die Regie nimmt klug auf ihre Besonderheit Rücksicht und die Sängerin entwickelt ein höchst anrührendes Bild von dem ins Unglück geratenen Mädchen. Stimmlich bringt sie genau den innigen, zarten Ton für Jenufa mit, hat aber auch mit den dramatischen Ausbrüchen keine Mühe.
Auch in den kleinen Rollen gibt es an diesem Abend nur Erfreuliches zu hören. Als Großmutter und Frau des Bürgermeisters kann man zwei Veteraninnen der Opernszene erleben: Renate Behle und Nadine Secunde beweisen in ihren Rollen zumindest große Bühnenpräsenz.
Am Ende will der Applaus gar kein Ende nehmen, das Publikum dankt allen Künstlern mit ausgiebigem Beifall für eine geglückte- und offenbar intensiv geprobte Aufführung.
Deutsche Oper Berlin, 12. Januar 2020
Leos Janacek, Jenufa
Foto: Bettina Stöß (c)
Steva Buryja Ladislav Elgr
Laca Klemen Robert Watson
Die Küsterin Evelyn Herlitzius
Jenufa Rachel Harnisch
Inszenierung Christof Loy
Dirigent Donald Runnicles
zuerst erschienen beihttp://www.klassik-begeistert.de