Herbert Blomstedts Film-Biographie gibt Einblicke in ein erfülltes Leben

Herbert Blomstedts Film-Biographie gibt Einblicke in ein erfülltes Leben

Der schwedisch-amerikanische Dirigent Herbert Blomstedt ist mit 95 Jahren der wohl älteste aktive Dirigent der internationalen Musikszene. Mit ungebrochener Spannkraft und Wachheit eilt er zu Konzertverpflichtungen rund um den Globus, bevorzugt musiziert er auch mit Orchestern, die er in der Vergangenheit leitete, ein deutlicher Hinweis, dass er niemals „verbrannte Erde“ hinter sich gelassen hat.

Der über mehrere Jahre entstandene Film, der mit großer Sensibilität den künstlerischen Alltag des Dirigenten schildert, hat in Herbert Blomstedt einen idealen Protagonisten. Entspannt und offenherzig gewährt er Einblicke in seine Familiengeschichte, seinen musikalischen Werdegang und sein künstlerisches Credo. Einer wie er muss sich und der Welt nichts mehr beweisen, souverän und dabei sehr zugewandt erlebt man ihn bei Proben mit verschiedenen Orchestern, eine Sequenz zeigt ihn bei einer Verständigungsprobe mit der legendären Pianistin Marta Argerich. Im Umgang mit anderen Künstlern erkennt man, was Blomstedts wahre Stärke ist: sein zugewandtes, bei aller Überlegenheit respektvolles Eingehen auf den anderen, und eine Freundlichkeit, die der philanthropische Pastorensohn aller Welt entgegenbringt.

Man sieht Blomstedt auch in seinem knapp bemessenen Urlaub, den er ganz in der Natur und Stille seiner schwedischen Heimat verbringt. Aber auch dort ist die Musik, die Vorbereitung künftiger Konzerte durch akribisches Partitur-Studium die Dominante seines Lebens. Auswendig und ohne Taktstock ist sein Dirigierstil klar in der Zeichengebung, die er mit seinen Händen anschaulich modelliert. Unbekümmert spricht er auch über ursprüngliche Fehleinschätzungen, so hat er erst spät zur Symphonik Gustav Mahlers gefunden. Er erklärt, dass er mit Vorliebe dem Mainstream des Klassikbetriebes ausweicht, lieber seltener gespielte Werke aufführt.

Seine ungewöhnliche Vitalität ist wohl einer asketischen Lebensweise geschuldet, Blomstedt ernährt sich ausschließlich vegetarisch, trinkt und raucht nicht und verfügt offenbar über eine straffe Selbstdisziplin. Trotzdem wirkt er in keiner Weise verknöchert oder unzugänglich. Der Regisseur lässt Blomstedt selbst ausführlich zu Wort kommen, der sprachgewandte Dirigent beherrscht auch die deutsche Sprache perfekt.

Im Laufe seines langen Lebens hat Blomstedt eine umfangreiche, bedeutende Bibliothek zusammengetragen. Er erzählt, dass er seine Gagen während der Jahre in der DDR, wo er als Chef des Orchesters in Dresden und später Leipzig wirkte, in Büchern angelegt hatte. Inzwischen hat er etwa ein Drittel davon der Göteborger Universitätsbibliothek übergeben, die dort ein eigenes Herbert-Blomstedt-Archiv einrichtet, das nach seinem Tod auch den Rest der Bibliothek erhalten soll.

Dem Film, in Spielfilmlänge gedreht gelingt es, die eindrucksvolle Persönlichkeit Blomstedts in allen Facetten einzufangen, fast hat man das Gefühl, sich im persönlichen Gespräch mit ihm zu befinden. Am Ende ist klar, was das Geheimnis dieses Künstlers ist: er nähert sich der Welt uneitel mit Wärme und Freundlichkeit, und die erhält er auch zurück. Dem Regisseur kommt der Verdienst zu, Blomstedts Charakter authentisch eingefangen zu haben, und so ein sehr lebendiges Bild dieses Ausnahmekünstlers zu zeichnen, das nicht nur Verehrern gefallen wird. Es bietet eine großartige Gelegenheit, Blomstedt menschlich und künstlerisch zu begreifen.

When Music resounds,
the Soul is spoken to
Herbert Blomstedt

A Film by Paul Smacznyx

accentus ACC 20417

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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