Diese Aufführung des Don Giovanni ist Teil des Da-Ponte-Zyklus, den Nikolaus Harnoncourt 2014 als krönenden Abschluss seiner langen Beschäftigung mit diesen Opern Mozarts im Theater an der Wien herausbrachte. Harnoncourt ahnte wohl, dass dieser Höhepunkt gleichzeitig auch Abschied war.
Wie schon beim vorausgegangenen Figaro verzichtete man auf Bühnenbilder und Requisiten, die Sänger agierten teils vom Notenpult aus, teils spielten sie in stilisierter Form. Bald bemerkt man, dass dieser Verzicht auf dramatische Aktion sich zum Vorteil für die Aufführung wendet. Unabgelenkt von Regieanweisungen oder komplizierten Aktionen können sich die Sänger mental und physisch voll auf ihre gesanglichen Aufgaben konzentrieren. Das Ergebnis ist eine Aufführung wie aus einem Guss, die schnellen Wechsel der Szenen verdichten den Ablauf der Handlung.
Ein wesentlicher Teil von Harnoncourts Konzept ist die sorgfältige Wiedergabe der Rezitative. Werden sie so ausdrucksvoll und textverständlich ausgeführt, wie in dieser Aufführung, so ersetzen sie praktisch die szenischen Aktionen.
Auch für den Giovanni hat der Dirigent eine überzeugende, teilweise ungewöhnliche Besetzung zur Verfügung. Den Titelhelden gibt der zu diesem Zeitpunkt noch sehr junge Andrè Schuen. Sein biegsamer, jugendlicher Bassbariton passt vorzüglich zu dieser Figur, die Harnoncourt als erwachsen gewordenen Cherubino sieht. Schuen macht auf der ganzen Linie bella figura, nur das Finale könnte man sich stimmlich etwas ausladender vorstellen. Ähnlich jung, aber bereits künstlerisch reif ist der Ottavio von Mauro Peter. Die gefürchteten Koloraturen seiner Partie singt der Schweizer Tenor mit schier endlosem Atem und verfügt dazu noch über ein sehr ansprechendes Timbre.
Leporello ist Ruben Drole, der neben einer schönen, kräftigen Stimme auch noch das für diese Partie unerlässliche komische Talent mitbringt. Seine, und die Stimme Schuens ergänzen sich optimal. Gleich in zwei Rollen kann sich Mika Kares beweisen. In einer ungewöhnlichen Personalunion ist er sowohl als Komtur, als auch als täppischer Bauer Masetto zu erleben. Beides gelingt ihm mit seinem kräftigen, etwas kantigen Bass vorzüglich.
Perfekt abgestimmt ist das Trio der Damen. Mari Eriksmoen ist eine selbstbewusste, keineswegs soubrettenhafte Zerlina, die sich mit schön gebildetem lyrischem Sopran durchzusetzen weiß. Maite Beaumont übernimmt temperamentvoll die Führungsrolle der Frauenfiguren. Ihr weicher, höchst flexibler Mezzosopran kostet das breite Spektrum der Elvira genüsslich aus. Erstaunlich viele Farben stehen ihrer Stimme dafür zur Verfügung.
Christine Schäfer legt die Donna Anna etwas ungewohnt aber überzeugend an. Bei ihr erleben wir keine rachedurstige Furie, viel mehr eine tief getroffene und gekränkte Frau, die sich von ihrem Gefährten nicht wirklich verstanden fühlt. Mit ihrem eher zarten Sopran zeichnet Schäfer ein interessant differenziertes Bild dieses Charakters. Immer wieder gelingen ihr lyrische Passagen von großer Schönheit. Man muss bedauern, dass diese Künstlerin ihre Karriere bereits beendet hat.
Harnoncourts Orchester, der Concentus Musicus Wien und der Arnold Schönberg Chor sind Wachs in den Händen ihres Gründervaters Harnoncourt. Das perfekte Zusammenspiel aller ergibt ein beseeltes, stimmiges Ganzes. Man realisiert, wie sehr Harnoncourt der heutigen Musikszene fehlt.
W.A. Mozart, Don Giovanni
Concentus Musicus Wien
Arnold Schönberg Chor
Nikolaus Harnoncourt
Unitel 803908
zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de