Händels „Messiah“ erstrahlt unter Robin Ticciati in der Berliner Philharmonie

Händels „Messiah“ erstrahlt unter Robin Ticciati in der Berliner Philharmonie
© MUTESOUVENIR

Ein Werk von der Bedeutung und Beliebtheit von Händels Oratorium braucht eigentlich keinen besonderen Anlass für eine Aufführung, aber in der Adventszeit ist traditionell das Interesse an religiös geprägter Musik stärker vorhanden. In der Zeit der kurzen Tage ist auch der Wunsch nach mehr Licht ein dringendes menschliches Bedürfnis.

So betrachtet macht die Idee, den „Messiah“ mit einer Lichtinstallation und mimischen sowie tänzerischen Elementen anzureichern, durchaus Sinn. Besser gesagt, sie würde Sinn machen, wenn der Lichtdesigner Ben Zamora nicht mit exakt 21 grellen Neonröhren das Podium der Philharmonie gnadenlos grell ausleuchten würde. Das Orchester und der Dirigent sind weit hinten postiert, sehen kann man sie des blendenden Lichtes wegen kaum. Ein in der Mitte befindliches Podest, ebenfalls mit mehreren Neonröhren bestückt, dient in der Folge als Spielfläche für den Tänzer Ahmed Soura, später werden auch die Gesangssolisten mimisch aktiv. Der Overkill der Beleuchtung lässt konzentriertes Zusehen aber nicht zu, die Augen schmerzen nach kurzer Zeit, notgedrungen schließt man sie. Es treibt einen die Frage um, ob Ben Zamora seine Installation eigentlich einmal selbst vom Zuschauerraum aus gesehen hat.

Nach dem zweiten Teil des Oratoriums wird die gesamte Installation abgebaut, die gewohnte Saalbeleuchtung empfindet man als wohltuend. Als die Musiker wieder den Saal betreten, haben sie ihre dunkle Gewandung gegen Alltagskleidung getauscht, die teilweise sogar recht abgetragen und schäbig aussieht. Im weiteren Verlauf betritt  der Tänzer Ahmed Soura wieder den Raum, auch er in Jeans und mit Rucksack. Zwei der Gesangssolisten geben ihm durch Gesten zu verstehen, dass seine Anwesenheit unerwünscht ist, und drängen ihn schließlich sogar zur Türe hinaus.

Für die Regie des Abends zeichnet Frederic Wake-Walker verantwortlich. Sein Ansatz ist leicht nachvollziehbar, kommt aber in der Ausführung nicht über Gutmenschen-Kitsch  hinaus. Die Leistung des Tänzers Ahmed Soura bleibt dennoch als eindrucksvoll haften, man wünscht sich, ihn einmal in einer dankbareren Aufgabe zu erleben. Wir leben in einer Zeit der überbordenden Bilderflut, man sollte abwägen, ob ein Werk wie der „Messiah“ einer solchen bedarf.

Beinahe hätte das Geschwurbel auf dem Podium davon abgelenkt, dass Ticciati, das Deutsche Symphonie Orchester Berlin, der RIAS Kammerchor und sämtliche Solisten eine Aufführung von beispielhafter Stringenz und Dichte musizierten. Die Entscheidung für historische Instrumente machte sich im Klangbild vorteilhaft bemerkbar, trotz der vergleichsweise kleinen Besetzung kam man in den Genuss eines satten, raumgreifenden Klangs. Die Leistungen der Solisten bewegten sich ebenfalls auf höchstem Niveau. Louise Alder verfügt über einen glockenreinen, geschmeidigen Sopran, bei Magdalena Kozenas Mezzo hat man allerdings den Eindruck, dass die Stimme in den höheren Lagen schöner klingt, die tiefen Register erscheinen etwas stumpf. Vielleicht wäre hier ein Fachwechsel zu empfehlen. Der Tenor Allan Clayton und der Counter Tim Mead wetteifern um die Palme des Schöngesanges, beide sind hervorragende Vertreter ihres Stimmfaches.

Der Bass Florian Boesch briliert mit den beiden großen Bass-Arien, deren halsbrecherische Koloraturen gestochen sauber ausgeführt werden. Der RIAS Kammerchor, als Kollektiv sozusagen der sechste Solist, bestätigt einmal mehr seinen ausgezeichneten Ruf.

Eine Beschränkung auf die Händel’sche Musik wäre dem Abend vielleicht zuträglicher gewesen. Ein bisschen weniger kann manchmal sehr viel mehr sein.

Georg Friedrich Händel  „Messiah“, Berliner Philharmonie,
15. Dezember 2018

Zuerst erschienen bei www.klassik-begeistert.de

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