Die Covid 19- Pandemie hat auch das timing für die Ring-Neuinszenierung an der Deutschen Oper völlig durcheinander gebracht. So hatte am Sonntag noch vor dem „Siegfried“ die abschließende „Götterdämmerung“ Premiere. Man darf aber bereits vor der letzten Premiere feststellen, dass Stefan Herheim mit seinem Ring krachend gescheitert ist. In Ermangelung eines tragfähigen Konzeptes verliert sich der Regisseur in immer abstruseren Mätzchen und Geschmacklosigkeiten.
Aber den höheren Stellenwert sollte man nach wie vor der Musik in der Oper einräumen, die Dominanz der Regie ist die chronische Krankheit des aktuellen Opernbetriebes. Leider fehlte an diesem Abend aber Einiges zum ungetrübten Wagner-Glück. Dass GMD Donald Runnicles bei Wagner gerne schleppt, ist bekannt und wäre zu verkraften, schwerer verzeiht man schon die Kickser und Unsicherheiten bei den Blechbläsern. Das Orchester der Deutschen Oper präsentierte sich nicht gerade in Bestform. Souverän dagegen der Chor, der in Mannschaftsstärke den einzigen Chorszenen des gesamten „Ringes des Nibelungen“ Wucht und Präzision verlieh.
Die Gesangspartien dieser letzten Ring-Oper gehören zu den anspruchsvollsten des gesamten Wagner-Repertoires. Der für den Siegfried vorgesehene Simon O’Neill ist der Deutschen Oper aus unbekannten Gründen abhanden gekommen, in dem neuen amerikanischen Stimmwunder Clay Hilley fand man aber vollwertigen Ersatz. Es ist beeindruckend, mit welch scheinbaren Leichtigkeit er selbst schwierigste Passagen und sämtliche Spitzentöne meistert. Das Timbre seiner Stimme ist sehr hell, die Stimmführung offen und nicht immer optimal gestützt, so geraten ihm einige wenige exponierte Töne doch etwas unschön. Insgesamt aber eine Leistung, die zu schönsten Hoffnungen Anlass gibt.
Sein männlicher Widerpart in der Oper, Hagen war leider ein Total-Ausfall. Gidon Saks ließ sich vor der Vorstellung wegen Indisposition entschuldigen, was von ihm anschließend zu hören war, ging über ein heiseres Krächzen nicht hinaus und störte die dramaturgische Balance des Stückes doch erheblich.
Seine Gibichungen-Geschwister wurden von Aile Asszonyi (Gutrune) mäßig, von Thomas Lehman (Gunther) ausgezeichnet gesungen. Lehman erinnerte optisch und in der Bewegung stark an einen kürzlich glücklos gescheiterten Kanzlerkandidaten, schwer zu sagen, ob das Absicht oder Zufall war. Okka von der Damerau überzeugte mit ihrem runden, vollen Mezzosopran als Waltraute und rückte diese Figur ins Zentrum des Geschehens, stimmlich bot sie die mit Abstand beste Leistung.
Die unverwüstliche Nina Stemme besetzt den Thron der bedeutendsten Hochdramatischen bereits seit vielen, vielen Jahren. Auch sie ist gegen Abnutzungserscheinungen ihres großen Soprans nicht gefeit. Noch beherrscht sie die allein schon vom Umfang her große Rolle der Brünnhilde souverän, aber immer häufiger muss sie Töne stemmen, Druck aufbauen und manche dieser Töne geraten auch unschön. Die Stimme ist trocken geworden, der Schmelz früherer Jahre ist dahin.
Die kleineren Rollen, Alberich, die drei Nornen und Rheintöchter waren ausreichend aus dem Ensemble besetzt.
Das große Ärgernis des Abends ist Stefan Herheims in Teilen indiskutable Inszenierung. Es würde jeden Rahmen sprengen, hier sämtliche Fremdschäm-Momente aufzuzählen. Der Regisseur scheint selbst gemerkt zu haben, dass ihm ein Gesamtkonzept für dieses Mammutwerk fehlt, also versucht er, mit immer neuen unsinnigen Details zu verwirren.
Unverzeihlich ist sein Eingriff in die Musik: im Finale des ersten Aktes lässt er Siegfried und Gunther gemeinsam den Brünnhilden-Felsen besteigen und teilt Siegfrieds Gesangspassagen zwischen den beiden Sängern auf. Das ist nicht nur falsch, es zerstört auch die Logik der Handlung. Das Sponsoring eines bekannten Trikotagenherstellers scheint wieder großzügig ausgefallen zu sein, die häufige Präsentation der verschiedensten Unterwäsche-Modelle, für Siegfried im XXL-Format, lässt darauf schließen. Wie unbedarft Herheims Inszenierung ist, zeigt das Schlussbild: eine Putzfrau säubert mit dem Wischmob die leer geräumte Bühne. Würde sie doch nur die gesamte peinliche Inszenierung in den Abfall-Container befördern!
Nach großem Applaus für die Sänger erreichen die Buh-Rufe für Herheim eine beachtliche Lautstärke. Er hat sie redlich verdient.
oto: Nina Stemme in „Götterdämmerung“, Deutsche Oper Berlin 2021 (Foto: © Bernd Uhlig)
Deutsche Oper Berlin, Premiere am 17. Oktober 2021
Richard Wagner, Götterdämmerung
Siegfried Clay Hilley
Gunther Thomas Lehman
Hagen Gidon Saks
Brünnhilde Nina Stemme
Gutrune Aile Asszonyi
Waltraute Okka von der Damerau
Inszenierung Stefan Herheim
Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin
Dirigent Sir Donald Runnicles
zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de