Der Komponist Umberto Giordano fristet außerhalb Italiens immer noch ein Schattendasein. Wenn man von seiner erfolgreichsten Oper „Andrea Chénier“ absieht, sucht man seinen Namen vergebens auf Spielplänen. Dabei hat er eine ganze Reihe ausgezeichneter Werke hinterlassen, von denen „Fedora“ noch am ehesten aufgeführt wird. In Berlin war sie allerdings seit 1930 nicht mehr zu hören.
Vorlage für diese Oper war das gleichnamige Drama von Victorien Sardou, das den Komponisten inspiriert hatte. Es ist kein Zufall, dass Sardou auch der Autor des erfolgreichen Bühnenwerkes „Tosca“ war, das Giacomo Puccini beinahe zeitgleich vertonte. Die reißerischen Dramen Sardous waren ideale Vorlagen für Komponisten des neuen Verismo-Stiles.
Ähnlich wie bei Tosca ist die zentrale Figur eine leidenschaftlich liebende Frau. Die Fürstin Fedora verliert am Tag vor der Hochzeit ihren Bräutigam durch einen Mordanschlag, verliebt sich im weiteren Verlauf der Handlung in dessen Mörder, wird selbst moralisch schuldig, und begeht schließlich Selbstmord.

Das alles komprimiert auf weniger als zwei Stunden erzeugt eine spannungsvolle Dichte, die der Regisseur Christof Loy klug zu nutzen weiß. In ein Einheitsbühnenbild setzt ihm der Ausstatter Herbert Murauer einen überdimensionalen Bilderrahmen, in dem Videosequenzen zu sehen sind, im dritten Akt wird er von den Protagonisten auch live bespielt. Die Inszenierung war bereits erfolgreich in Stockholm und in Frankfurt/Main zu sehen. Loys Stärke ist die Personenführung, es gelingt ihm, die plakative Handlung in sensible Körpersprache umzusetzen, und sie dadurch in jedem Moment glaubhaft zu machen.
Giordanos Partitur besticht durch Sinnlichkeit und kunstvolle Instrumentierung. Dass er den unterschiedlichen Schauplätzen der drei Akte jeweils russisches, französisches und rustikal schweizerisches Flair beimengt, gibt dem Werk einen eigenen Reiz.
John Fiore dirigiert das Orchester der Deutschen Oper souverän und gibt dem Verismo, was er braucht: starke dramatische Akzente.

Die Sängerbesetzung erweist sich als gut kalkulierter Glücksfall: in der Titelrolle zeichnet Vida Miknevičiūtė ein facettenreiches Bild der Fürstin im emotionalen Ausnahmezustand. Technisch souverän gestaltet sie die anspruchsvolle Partie, obwohl man sich vom Stimmtypus her eine etwas wärmere, vollere Stimme gewünscht hätte, was die Leistung aber keineswegs mindert.
Jonathan Tetelman als Loris, einer Partie, die einst Enrico Caruso kreierte, ist optisch wie vokal der Idealtyp des Latin Lovers, das Volumen seines Spinto-Tenors ist eindrucksvoll, seine Lautstärke ist beinahe des Guten zu viel. Die beiden Stimmen verbinden sich aber optimal und bescheren dem ausverkauften Haus ein Sängerfest. Daran hat auch das gesamte Ensemble seinen Anteil, von dem Julia Muzychenko als Olga und Navasard Hakobyan als de Siriex besonders gefallen.
Langer, begeisterter Applaus für eine gelungene Wiederentdeckung!
Fedora © Bettina Stöß
Umberto Giordano
Fedora
Fedora Vida Miknevičiūtė
Loris Ipanov Jonathan Tetelman
Olga Sukarev Julia Muzychenko
Giovanni de Siriex Navasard Hakobyan
Inszenierung Christof Loy
Ausstattung Herbert Murauer
Dirigent John Fiore
Orchester der Deutschen Oper
Deutsche Oper Berlin, 30. November 2025
zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de