Georg Nigls Lieder-CD sticht mühelos Konkurrenten aus

Georg Nigls Lieder-CD sticht mühelos Konkurrenten aus

Die Gattung der Liederabende scheint eine aussterbende Kunst zu sein. Verdrängt werden sie vielfach von gemischten Programmen prominenter Sänger, die mehr auf Populäres als auf klassischen Liedgesang setzen, was Ausnahmen von diesem Trend besonders erfreulich macht.

Während des Musikfestes Berlin 2019 gab der österreichische Bariton Georg Nigl einen bemerkenswerten Liederabend im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie. Gemeinsam mit seiner kongenialen Partnerin am Klavier, Olga Pashchenko sang er Lieder von Franz Schubert, Ludwig van Beethoven und einen ihm gewidmeten Zyklus von Wolfgang Rihm. Es ist hoch erfreulich, dass das Programm dieses Abends nun fast identisch eingespielt wurde und auf CD erschienen ist.

Live gleichermaßen wie nun auch auf dem Tonträger gelingen dem Bariton sehr persönlich gefärbte Interpretationen der einzelnen Stücke. Die Auswahl der Schubert-Lieder ist klug gewählt, neben sehr bekannten Liedern bekommt man auch selten gespielte zu hören. Nigls geschmeidiger Bariton mit sicherer Höhe und perfektem Legato ist für die knifflige Phrasierung von Schuberts Liedern perfekt geeignet. Dabei verzichtet der Sänger klugerweise auf eine intellektuelle Überfrachtung der Texte, er geht sie im besten Sinne naiv an und lässt den Hörer so zum mitfühlenden Ohrenzeugen werden.

Ähnlich persönlich sein Ansatz für Beethovens Zyklus „An die ferne Geliebte“. Auch hier werden Emotionen ungefiltert transportiert, aber gleichzeitig technisch perfekt vorgetragen. Bei Beethoven kann sich auch Nigls hervorragende Partnerin am Flügel, Olga Pashchenko noch stärker profilieren, ihr gelingen schöne Überleitungen zwischen den einzelnen Liedern.

Wolfgang Rihms Zyklus Vermischter Traum (Gryphius-Stück), 2017 für Nigl komponiert, ist naturgemäß spröder in seiner musikalischen Sprache. Nigl, der sich international als Interpret zeitgenössischer Komponisten und Klassikern der Moderne einen Namen gemacht hat, ist bei diesen Liedern auf mittelalterliche Texte von Andreas Gryphius in seinem Element und kann seine Bandbreite als Interpret in unzähligen Nuancen beweisen. Seine Stimme verfügt über ein reiches Farbenspektrum, das macht seinen Gesang so hörenswert und unverwechselbar.

Man soll zwar Äpfel nicht mit Birnen vergleichen, aber nahezu zeitgleich mit Nigls CD ist eine „Schöne Müllerin“ von Ian Bostridge und eine Weihnachtslieder-CD von Jonas Kaufmann erschienen und fordern einen indirekten Vergleich heraus. Bostridge nähert sich Schubert mit jener intellektuell verschwurbelten Textgestaltung, die Nigls Interpretation bewusst vermeidet. Bei Kaufmanns jüngster Veröffentlichung ist es vor allem die stillose Beliebigkeit, mit der er alles Verfügbare an weihnachtlicher Musik in süßen Brei verwandelt. Die Werbe-Etats der genannten Veröffentlichungen übersteigen jenen der Aufnahme Nigls, die bei einem kleinen Label erschienen ist, mit Sicherheit erheblich. Den Preis für die beste Liedeinspielung des Jahres würde ich aber an ihn vergeben!

VANITAS. Beethoven Schubert Rihm
Alpha 646

Georg Nigl, Bariton
Olga Pashchenko, Klavier

zuerst erschienen bei http://www.klassil-begeistert.de

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