Gaetano Donizetti ist der Musikwelt hauptsächlich als Komponist von zahlreichen Opern bekannt, von denen eine ganze Reihe bis heute regelmäßig gespielt werden. Weniger bekannt ist er als Komponist von geistlichen Werken, Kammermusik und Liedern.
Das engagierte Plattenlabel Oper Rara hat in einem aufwändigen Forschungsprojekt über mehrere Jahre den Manuskripten und Druckausgaben von Liedern Donizettis für Singstimme und Klavier nachgespürt und insgesamt etwa dreihundert Lieder identifiziert. Diese werden nun, aufgeteilt auf mehrere Sänger unterschiedlicher Stimmlagen systematisch eingespielt, vorgesehen sind acht CDs, von denen soeben die Folgen 3 und 4 erschienen sind.
Der Baritenor Michael Spyres bestreitet sein Programm mit der phänomenalen Flexibilität seiner über mehrere Oktaven reichenden Stimme, die tatsächlich ohne Brüche in den Registerübergängen die Bezeichnung Baritenor wirklich verdient. Die von ihm bestrittene Auswahl sind mit einer Ausnahme Lieder auf französische Texte, in zwei Liedern wird er einmal von Eloisa-Fleur Thom auf der Violine und einmal von Sally Price an der Harfe, zusätzlich zu Carlo Rizzi am Klavier begleitet. Rizzi ist auch der künstlerische Leiter der gesamten Edition. Aus dem Rahmen fällt ein einzelnes deutschsprachiges Lied, „Rings ruht die grüne Alpenhut“, das einen beinahe volksliedhaften Charakter hat.
Teil vier der Edition wird von der franco-kanadischen Mezzosopranistin Marie-Nicole Lemieux bestritten, die sowohl als Opern- als auch Konzertsängerin international erfolgreich ist. Sie wird vom Pianisten Giulio Zappa, zusätzlich bei einem Lied von Edward Batting am Harmonium begleitet. Der Großteil dieser Lieder sind Vertonungen italienischer Texte, wenige in französischer Sprache.

Auch die Stimme von Lemieux zeichnet sich durch große Geschmeidigkeit und Reichtum der Stimmfarben aus. Sie versteht es, die Texte pointiert zu präsentieren.
Insgesamt überrascht Donizetti als Liedkomponist durch die Vielfalt und Originalität der einzelnen Stücke. Sie haben sämtlich individuellen Charakter und eine eigene Handschrift. Ab und an blitzt eine aus seinen Opern bekannte Melodie auf, aber Donizettis Selbstzitate bleiben überschaubar. Die Edition lenkt den Blick von den Opern des Meisters nun auch auf sein umfangreiches Liedschaffen, das viel zu lange vernachlässigt wurde. So gesehen ist diese Unternehmung von Opera Rara eine verdienstvolle Großtat.
Donizetti
Songs
Michael Spyres, Tenor
Carlo Rizzi, Piano
ORR 256
Marie-Nicole Lemieux, Mezzo-Soprano
Giulio Zappa, Piano
ORR 257
zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de