Als diese Korngold-Oper im Frühjahr 2018 Premiere an der Deutschen Oper Berlin hatte, traf sie auf ein durchaus skeptisches Publikum. Zwar wusste der historisch vorgebildete Opernbesucher, dass das Werk bei seiner Uraufführung 1927 in Hamburg erfolgreich war, von großen Häusern wie Wien, Berlin und München sofort nachgespielt wurde. Allerdings stand das mystische, geheimnisvolle Libretto nach einem Drama des früh vollendeten Dichters Hans Kaltneker zum Zeitpunkt der Uraufführung dem Zeittrend der „Neuen Sachlichkeit“ deutlich entgegen, was zum baldigen Verschwinden der Oper von den Spielplänen führte. Der Bann von Korngolds sämtlichen Werken nach der Machtergreifung der Nazis tat ein Übriges, das Werk geriet in Vergessenheit.
Die begrüßenswerte und immer mehr an Fahrt aufnehmende Korngold-Renaissance konnte auf Dauer das Werk, das Korngold selbst als sein bedeutendstes ansah, nicht ignorieren. Die Produktion an der Deutschen Oper Berlin geriet tatsächlich zu einem Meilenstein für die Wiederentdeckung. Christoph Loy siedelt die Handlung komplett in einem holzgetäfelten Gerichtssaal an. Das strenge, eher triste Ambiente lenkt die komplette Aufmerksamkeit auf die handelnden Personen, die ausnahmslos Alltagskleidung tragen, lediglich die Titelheldin wechselt mehrfach das Kostüm.
Die Besetzung der drei Hauptrollen muss man als Glücksfall bezeichnen. Der Herrscher findet in der Person von Josef Wagner und seinem wohlklingenden Bassbariton einen sensiblen, die Facetten dieser Rolle voll auslotenden Interpreten. Der Fremde wird von Brian Jagde mit treffsicherem Heldentenor ausgestattet, der aber auch zu leiseren Zwischentönen durchaus fähig ist.
Als sensationell kann man das Rollendebüt von Sara Jakubiak in der Titelrolle bezeichnen. Ihr warmer, dabei schlank geführter Sopran scheint keinerlei Mühe auch mit den nicht wenigen exponierten Passagen dieser Partie zu haben. Das ist Wohllaut auf höchstem Niveau und gleichzeitig auch im Spiel differenziert und anrührend. Den drei Protagonisten durchaus ebenbürtig wurden auch die kleineren Rollen besetzt. Okka von der Damerau als Botin lässt neben ihrem vollen Mezzosopran auch die Gefährlichkeit der dargestellten Person erkennbar werden. Derek Welton kann in seinen zwei kurzen Auftritten mit baritonalem Wohlklang ebenso überzeugen, wie der Tenor Gideon Poppe in der kleinen Rolle des jungen Mannes. Burkhard Ulrich stattet den blinden Richter mit gefährlicher Schärfe aus.
Der groß besetzte Chor der Deutschen Oper leistet an diesem Abend Großes, ist er doch auch stark in die szenischen Abläufe eingebunden. Marc Albrechts Dirigat verliert nie den Überblick über die teilweise überbordenden Klangfluten, bei ihm sind Orchester wie Solisten in sicheren Händen. Er lässt Korngolds schönheitstrunkene, anachronistisch spätromantische Musik voll zu ihrem Recht kommen.
Die Veröffentlichung dieser Produktion auf DVD durch NAXOS ist äußerst verdienstvoll, bewahrt sie schließlich nicht nur eine großartige Aufführung, sie wird mit Sicherheit auch positiven Einfluss auf die zukünftige Rezeptionsgeschichte dieser Oper haben. Auch die Ausstattung der Box mit 2 DVDs ist großzügig. Ein umfangreiches Begleitheft bietet interessante Artikel zum Werk. Auf der einen DVD findet man außerdem interessantes zusätzliches Material: eine 35 Fotos umfassende Dokumentation über den Komponisten Korngold, sowie eine historische Schellack-Aufnahme mit dem Zwischenspiel aus dem dritten Akt aus dem Jahr 1928. Man kann gespannt sein, ob man dem Werk in Zukunft öfter begegnen wird!
NAXOS 2.110584-85
2 DVD
zuerst erschienen beihttp://www.klassik-begeistert.de