Diese „Theodora“ verkehrt die christliche Botschaft ins Gegenteil

Diese „Theodora“ verkehrt die christliche Botschaft ins Gegenteil

Mit dieser Produktion kehrt Händels gewaltiges Oratorium zurück an den Ort seiner Uraufführung, denn 1750 hatte das Werk in Covent Garden seine Premiere. Auch im Jahr 2022 wurde nicht gespart, um die Aufführung dem Werk angemessen zu präsentieren.

Für die Besetzung der Hauptrollen der eher statischen Handlung bewies man eine glückliche Hand. Die junge Julia Bullock bringt für die Titelrolle einen farbenreichen, klangschönen Sopran mit, der auch an den exponierteren Stellen nichts von seiner technischen Sicherheit verliert. Ihre sonore Gegenspielerin Irene wird von Joyce DiDonato mit warmem, geschmeidigem Mezzosopran souverän gestaltet. Bei so viel Frauenpower haben die männlichen Partner einen schweren Stand, aber sie schlagen sich mehr als wacker. Der Countertenor Jakub Józef Orliński als Didymus entlockt seiner Stimme einschmeichelnde Kantilenen, sein Counter blüht in den schönsten Farben auf. Sein Freund Septimus, verkörpert von Ed Lyon, bietet mit seinem kräftigen Tenor einen stimmigen Kontrast. Temperamentvoll polternd, aber seinen beweglichen Bariton sicher durch die Koloraturen seiner Partie steuernd, überzeugt Gyula Orendt als Bösewicht Valens.

Das Orchester des Königlichen Opernhauses Londons läuft unter der kompetenten Leitung Harry Bickets zu bester Form auf. Eindrucksvoll auch die Chöre, die in Händels Werken immer einen besonderen Stellenwert haben. Für die Regie hatte man Katie Mitchell gewonnen, die dem im Original statischen Werk eine völlig neue Handlung unterlegt. Das Stück spielt nun in der Gegenwart, Schauplatz ist die Botschaft eines nicht benannten Landes, von dem Gebäude ist in erster Linie die Küche zu sehen, in der nicht nur gekocht wird, sondern auch Bomben gebastelt werden.

Man hat es wohl mit einer radikalen christlichen Sekte zu tun, die für ihren Glauben in diesem Land verfolgt und unterdrückt wird. Theodoras Verurteilung zur Prostitution führt sie direkt in einen Sexclub, aus dem sie mit Hilfe ihres Geliebten Didymus flieht, der mit ihr die Kleidung tauscht, was dem Counter Orliński einen Auftritt als Drag-Queen beschert. Entgegen dem Original kann sich das Liebespaar aber am Ende aus dem Kühlraum befreien, in dem es wohl sterben sollte. Der böse Botschafter und seine Handlanger werden von dem Grüppchen der Christen brutal massakriert, was zu einem blutigen Happy-End führt.

Problematisch daran ist die Umkehr der Verhältnisse. Gläubige Christen sind eher nicht für das Basteln von Bomben bekannt, und Terroristen taugen nicht unbedingt zum Sympathieträger. Was Mitchell aber in beeindruckender Weise gelingt, ist ein dichtes, konzentriertes Kammerspiel ihrer Protagonisten, bei dem sich sogar stumme Rollen erstaunlich gut profilieren können. Das handlungsarme Oratorium verwandelt sich in ein spannendes Theaterstück, das zumindest in sich stimmig ist. Die Reaktion des Londoner Publikums fiel jedenfalls nachhörbar sehr positiv aus.

Händel
Theodora

Julia Bullock
Joyce DiDonato
Jakub Józef Orliński

Royal Opera House Covent Garden

Opus Arte OABD 7313 D

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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