„Die Welt ist tief“: Lorenzo Viotti debütiert mit Mahlers Dritter bei den Berliner Philharmonikern

Die  Konzertabsage von Yannick Nezet-Seguin bescherte Orchester und Publikum ein unerwartetes, aber im Grunde längst fälliges Debüt am Pult. Der junge, knapp dreißigjährige Lorenzo Viotti, Sproß einer urmusikalischen Familie, sprang kurzfristig ein, um Mahlers dritte Symphonie zu dirigieren. Offenbar so kurzfristig, dass sogar das gedruckte Programm mit einem Einlege-Zettel versehen werden musste.

Mahlers fast 100 Minuten dauerndes Werk legt die Latte für einen jungen Debütanten reichlich hoch. Im Kopfsatz meinte man auch noch eine gewisse Nervosität bei Viotti zu spüren, seine Bewegungen waren vielleicht ein wenig zu ausladend, die Generalpausen eine Spur zu lang, wodurch dieser ausladende erste Satz inhomogen wirkte.

Aber ab dem zweiten Satz schien Viottis Selbstbewusstsein gewachsen zu sein, seine Zeichengebung wirkte souveräner und der im Tempo di Menuetto stehende Satz wirkte erheblich besser strukturiert, was ebenso für das Scherzo gilt. Das Posthorn- Solo wurde von Guillaume Jehl markant und sicher ausgeführt. Mahler, der dieses Solo aus einem anderen Raum spielen lässt, verstärkt damit noch den traurigen, sehnsüchtigen Klang dieser Melodie, die wie eine ferne Erinnerung die Seele berührt.

Eine nicht unerwartete Enttäuschung bereitete der Sologesang Elina Garancas im Misterioso. Zwar bleibt sie uns keinen einzigen Ton schuldig, aber die von dem Nietzsche-Text und Mahler geforderte Tiefe der Empfindung und des Ausdrucks ist ihre Sache nicht. Hier ist die Welt keineswegs tief, zudem scheint mir das Solo für die Sängerin zu tief notiert zu sein. Garanca singt den Text so undeutlich und beiläufig, dass die spirituelle Wirkung des berühmten Gedichtes nicht zur Geltung kommt. Sehr viel mehr konnten die Damen des Rundfunkchores Berlin und die Knaben des Staats- und Domchores Berlin überzeugen, die mit ihren Soli einen jugendlich-frischen Ton einbrachten.

Der langsame Final-Satz sah Viotti endgültig als souveränen Beherrscher der Aufführung. Willig ließ man sich von ihm in die breit ausladende Melodik Mahlers mitnehmen und hinwegtragen.

Als dramaturgischen Fehler muss man den Eintritt der Solistin Elina Garanca und des Chors in den Saal nach dem ersten Satz wahrnehmen. Das kindisch bei jeder auch unpassenden Gelegenheit losapplaudierende Berliner Publikum stört damit die Pause zwischen den Sätzen erheblich. 30 Minuten mehr auf dem Podium, und das sitzend, sollten dem Chor zumutbar sein.

Am Ende sieht sich der ein wenig abgekämpft wirkende Viotti mit großem Zuspruch des Publikums belohnt. Gerne möchte man diesen Dirigenten bald wieder an dieser Stelle sehen und hören.

Philharmonie Berlin, 27. Februar 2020
Gustav Mahler  Symphonie Nr.3 d-Moll
Elina Garanca  Mezzosopran
Guillaume Jehl  Posthorn-Solo
Lorenzo Viotti  Dirigent (Foto: (c)

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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