Dich teure Halle grüß‘ ich wieder? Daniel Barenboims nüchterner Mozart

Dich teure Halle grüß‘ ich wieder? Daniel Barenboims  nüchterner Mozart

Eine gefühlte Ewigkeit fanden in der Berliner Philharmonie keine Konzerte mehr statt. Erst Lockdown, dann Sommerpause und noch eine Phase der Ungewissheit, ob und wie man die neue Saison wagen könnte. Das erarbeitete Sicherheitskonzept der Philharmonie schränkt die Zuschauerzahl rigoros ein, jede zweite Reihe muss leer bleiben, jeweils zwei Plätze zwischen den einzelnen Zuschauern dürfen nicht besetzt werden. Eine große Zahl von Mitarbeitern des Hauses, alle übrigens bestens geschult und von ausgesuchter Höflichkeit, weist den Besuchern einen Platz zu. Die den Mund und die Nase bedeckende Maske muss bis zum Beginn des Konzerts getragen werden. Der Anblick des großen Saales, der so spärlich besetzt ist, macht traurig. Der Beginn des Musikfestes Berlin, sonst ein Ausrufezeichen des Berliner Konzertlebens und Treffpunkt der Klassikliebhaber gerät dieses Jahr zu einer beinahe geisterhaften Veranstaltung.

Auch die Musiker der Staatskapelle Berlin und ihr Dirigent Daniel Barenboim betreten das Podium maskiert. Erst zu Beginn des Konzertes legen sie ihre Masken ab. Auf dem Programm stehen die letzten drei Symphonien Mozarts, gerade von der Musik dieses Komponisten verspricht man sich Heilung der so lange ungestillten Sehnsucht nach dem unmittelbaren Konzerterlebnis.

Leider stellt sich bereits mit den ersten Takten eine gewisse Ernüchterung ein. Der so dünn gefüllte Saal verändert seine Akustik gegenüber voll besetzten Konzerten deutlich. Ein wenig verloren wirkt das engagierte Spiel der Staatskapelle, das Fehlen der sonst üblichen gespannten Vorfreude schlägt auf die Musiker zurück. Die eigentlich fröhliche Es-Dur-Symphonie kommt ein wenig schwerfällig daher. Barenboims Dirigat wirkt kühl analytisch, den Finalsatz peitscht er dagegen hastig dem Ende entgegen.

Auch den Beginn der g-Moll-Symphonie nimmt er ein wenig zu schnell, da wird ein wenig „drüber weg“ musiziert, Feinheiten nicht ausgefeilt. Dem zweiten Satz fehlt dafür das federnde Element, dieses musikalische Soufflé geht nicht auf. Auch das Menuetto/Allegretto gerät ziemlich trocken, der finale Satz wird zwar sehr flott, aber ohne den erforderlichen „Drive“ nur abgeliefert.

Auch oder gerade Mozarts letztes symphonisches Werk, die so genannte „Jupitersymphonie“, eine strahlende C-Dur Hymne auf das Leben, erklingt an diesem Abend ein wenig freudlos, frei vom so wichtigen tänzerischen Element dieser Musik. Das Andante cantabile fahl und spannungslos gedehnt, das Menuetto/Allegretto sehr bedächtig, aber ohne Schwung. Erst im letzten Satz stellt sich das federnde Element dieser Musik ein, aber zu einem strahlenden Finale reicht es dann doch nicht.

Man fragt sich, was aus dem Mozart-Dirigenten Daniel Barenboim geworden ist, der vor Ewigkeiten mit einer kompletten Einspielung der Klavierkonzerte Mozarts Furore machte. An diesem Abend erlebt man nur einen uninspirierten Staatskapellmeister, der „seine“ Staatskapelle zwar umsichtig und konzentriert leitet, der göttliche Funke dieser großen Musik will aber nicht überspringen, obwohl das Orchester ausgezeichnet disponiert ist und diese streicherdominierten Stücke tadellos spielt. Mehr als eine Pflichtübung ist es am Ende aber nicht gewesen. Ein Karl Böhm hat diese Musik noch mit über 80 Jahren mit jugendlichem Elan und Feuer dirigiert. Unfroh stiehlt sich das Publikum aus dem Saal, nach Minuten haben sich die wenigen Besucher verlaufen und die Philharmonie scheint erneut in einen Dornröschenschlaf zu verfallen.

Philharmonie Berlin, 29. August 2020

Staatskapelle Berlin
Daniel Barenboim, Dirigent

Wolfgang Amadeus Mozart,
Symphonie Nr.39 Es-Dur KV 543
Symphonie Nr.40 g-Moll KV 550
Symphonie Nr.41 C-Dur KV 551 „Jupiter“

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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