Der Dirigent als Komponist: Antal Dorátis „Der Künder“ erlebt eine späte Uraufführung

Der Dirigent als Komponist: Antal Dorátis „Der Künder“ erlebt eine späte Uraufführung

Vielen Liebhabern klassischer Musik wird der aus Ungarn stammende Dirigent Antal Doráti noch ein Begriff sein. Der 1906 in Budapest geborene Sohn aus jüdischer Familie studierte Musik in seiner Heimatstadt und hatte an den Opernhäusern von Dresden und Münster verschiedene Positionen, ehe er 1933 Deutschland verließ. Nach Jahren in Frankreich und Monte Carlo emigrierte er 1939 in die USA, wo er auch eingebürgert wurde. Über die Jahrzehnte etablierte sich Doráti als Leiter von namhaften Orchestern und Opernkompanien, auch für Schallplattenaufnahmen wurde er häufig herangezogen.

Bedeutend ist seine komplette Einspielung sämtlicher Symphonien Joseph Haydns, auch von insgesamt acht Opern dieses Komponisten erschienen Aufnahmen unter seiner Leitung.Schon frühzeitig betätigte Doráti sich auch als Komponist. Neben Kammermusik und Chorwerken komponierte er umfangreiche Orchesterwerke, die teilweise als Auftragskompositionen entstanden. Im Jahr 1988 starb der Dirigent im Alter von 82 Jahren in der Schweiz. Seine einzige Oper „Der Künder“ war zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgeführt worden.

Dem Dirigenten Martin Fischer-Dieskau ist es zu danken, dass das Werk nun erstmals einstudiert und auf Tonträger aufgenommen wurde. Der Dirigent hatte von der Oper noch von Doráti selbst erfahren.

Die Realisierung der umfangreichen Partitur bedeutete eine Aufgabe, die ohne die Unterstützung von verschiedenen Institutionen nicht möglich gewesen wäre. Vor allem das Deutsche Bundesministerium des Inneren förderte das Projekt finanziell. Besondere Bedeutung hat die literarische Vorlage der Oper, sie ist ein Mysterienspiel des bedeutenden deutsch-jüdischen Philosophen und Schriftstellers Martin Buber, das von Doráti 1984 vertont wurde.

Man ist auf Vermutungen angewiesen, warum der Komponist zögerte, die Oper noch zu seinen Lebzeiten zu veröffentlichen und aufzuführen. Es mag sein, dass er als erfahrener Mann der Praxis Zweifel an der Bühnenwirksamkeit seines Werkes hatte. Tatsächlich wirkt die Komposition über weite Strecken statisch und lässt eher an ein Oratorium denken.

Für die Einspielung standen Fischer-Dieskau, neben dem Orchester der Beethoven Akademie Krakau und dem Chor des Teatr Wielki aus Poznán, eine Reihe erstklassiger Solisten zur Verfügung. Der polnische Star-Bassbariton Tomasz Konieczny ist mit der Hauptpartie des Elia betraut und ist mit seiner weich timbrierten Stimme die dominante Figur des Werkes. Ihm durchaus ebenbürtig der Tenor Michael Schade als König Ahab, und die Sopranistin Rachel Frenkel als Königin Isebel. Als Elisha beeindruckt der Israelische Tenor Ron Silberstein, aber auch die kleinen Nebenrollen sind adäquat besetzt.

Es gelingt dem ausführenden großen Apparat durchaus, eine gewisse Spannung aufzubauen. Dorátis Tonsprache ist gemäßigt atonal und hat über weite Strecken einen zu der biblischen Handlung passenden deklamatorischen Charakter. Ein wenig problematisch ist die Dauer von gut zweieinhalb Stunden, die den Spannungsbogen nicht durchgehend halten kann. Auch ist der Text des Religionsphilosophen Martin Buber keine leichte Kost, setzt auch eine gute Kenntnis der biblischen Geschichte voraus. Vielleicht haben diese Punkte den Komponisten bewogen, von einer Aufführung zu seinen Lebzeiten abzusehen.

Begrüßen muss man das Zustandekommen dieser Produktion aber allemal, konzertante Aufführungen könnte man sich gut vorstellen.

Antal Doráti
Der Künder

Beethoven Academy Orchestra
Teatr Wielki Choir
Martin Fischer-Dieskau Dirigent

Orfeo C 220313

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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