Chefsache! Petrenko und Barenboim musizieren gemeinsam in der Berliner Philharmonie

Chefsache! Petrenko und Barenboim musizieren gemeinsam in der Berliner Philharmonie
©Stephan Rabold

Die beiden an diesem Abend aufgeführten Werken haben nicht nur die Tonart c-Moll gemeinsam, sie stehen beide für leidvolle Phasen im Leben ihrer Komponisten. Ludwig van Beethoven wurde sich in den ersten Jahren nach 1800 endgültig seines fortschreitenden Gehörverlusts bewusst, für einen Musiker die Katastrophe per se. Speziell im zweiten Satz, dem Largo des dritten Klavierkonzerts, dominiert eine düstere Grundstimmung, die im abschließenden Rondo allerdings wieder relativiert wird. Daniel Barenboim am Flügel zeigt, dass er trotz seiner umfangreichen Tätigkeit als Dirigent das Klavierspiel nicht nur nicht verlernt, sondern seinen Stil über die Jahre verfeinert hat. Ein Vergleich mit seiner frühen Platteneinspielung macht dies deutlich.

Dass zwei der Berliner Orchesterchefs jeweils mit dem Orchester des anderen musizieren, hat durchaus Tradition, dass sich aber zwei der Berliner Chefdirigenten in einer Aufführung das Podium teilen, geschieht schon seltener. Petrenko und Barenboim jedenfalls demonstrierten nicht nur musikalisches Einverständnis, auch ihre Körpersprache signalisierte gegenseitige Sympathie, gipfelnd in einer festen, freundschaftlichen Umarmung während des Schlussapplauses, den Petrenko ganz uneitel in weiten Teilen dem Solisten Barenboim überließ.

Als zweites Stück hatte Kirill Petrenko für dieses Konzert die Symphonie Asrael des tschechischen Komponisten Josef Suk gewählt. Suk, Schüler und Schwiegersohn Anton Dvoraks, schrieb dieses Werk in der dunkelsten Phase seines Lebens. Innerhalb von kaum mehr als einem Jahr musste er den Tod seines geliebten Lehrers und dessen Tochter Ottilie, seiner Ehefrau, verkraften. Dementsprechend düster ist der Grundton dieser mehr als einstündigen Symphonie.

Das Werk setzt sich aus zwei Teilen zusammen, die drei Abschnitte des ersten Teils entstanden bereits vor den großen familiären Tragödien. Suk selbst meinte später, dass ihn die Musik gerettet hätte, und er so die Kraft hatte, das Werk mit zwei weiteren Sätzen zu vollenden. Das Adagio soll als Porträt der Ehefrau Ottilie verstanden werden, Suk schrieb es unter Aufbietung aller ihm verbliebenen Energie. Der abschließende Satz schildert eindringlich die durchlittenen seelischen Qualen des Komponisten, ehe er in versöhnlichem C-Dur die Bewältigung des Schmerzes symbolisiert.

Kirill Petrenko hat sich auch in der Vergangenheit bereits für die Werke Suks eingesetzt. Während seiner Zeit an der Komischen Oper Berlin entstand mit deren Orchester sogar eine Einspielung einiger Orchesterwerke Suks. Auch an diesem Abend wird in seiner Interpretation seine große Affinität zur Tonsprache des Tschechen spürbar, in der Architektur des ausladenden Werkes finden sich Parallelen zu den Symphonien Gustav Mahlers, aber letztlich verfügt Suk doch über eine eigene, sehr persönliche musikalische Handschrift. Petrenko lässt der Musik Raum, sein Orchester weiß dieses Juwel gebührend zu behandeln, und so fügt sich die Interpretation zu einer hochsensiblen Wiedergabe des anspruchsvollen Werkes.

Der Applaus am Ende vielleicht etwas verhaltener als bei Beethoven, die Symphonie ist in ihrer Komplexität auch für das Publikum keine leichte Kost.

Ludwig van Beethoven  Klavierkonzert Nr.3 c-Moll op.37
Josef Suk  Symphonie c-Moll op.27 „Asrael“

Philharmonie Berlin, 9. Januar 2020
Berliner Philharmoniker
Daniel Barenboim, Klavier
Kirill Petrenko, Dirigent

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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