Casta Diva: Der erste schwule Opernführer spart nicht an Opulenz

Casta Diva: Der erste schwule Opernführer spart nicht an Opulenz

Die gegen Ende des 20. Jahrhunderts einsetzende Befreiung der Homosexualität vom Stigma des Kriminellen, und in der Folge auch von der gesellschaftlichen Randlage, hat in wenigen Jahrzehnten das Selbstbewusstsein der Betroffenen nachhaltig gestärkt und erstmals so etwas wie Normalität hergestellt.

Längst sind schwule oder lesbische Beziehungen Teil selbst der seichtesten Telenovela und auch in die Welt der bunten Hochglanz-Klatschblätter haben sie längst Einzug gehalten. Als Betroffener der Generation Ü50 schwindelt einem manchmal vor dem Tempo, in dem dieser große Schritt möglich war. Möge das heutige gesellschaftliche Klima von Dauer sein!

Schwule Männer haben und hatten von je eine starke Affinität zur Kunstform Oper. Über die Gründe lässt sich trefflich spekulieren, aber in den Pausenfoyers der großen Opernhäuser kann man jederzeit den Beweis dafür antreten. Der Gedanke, einen explizit schwulen Opernführer zu veröffentlichen, liegt daher gar nicht so fern. Der gewichtige, 700 Seiten starke und mit magentafarbenem Samt geschmückte Band „Casta Diva“ erfüllt erst einmal jedes schwule Klischee. Optische Opulenz ist durch mehrfarbige Fotos und durchgängig verwendetes Kunstdruckpapier gegeben, aber seine Daseinsberechtigung muss natürlich der Inhalt des Buches beweisen.

Die beiden Herausgeber Rainer Falk und Sven Limbeck, beides renommierte Wissenschaftler, bürgen für die Seriosität des Projektes. . Das editorische Prinzip des Buches ist klug erdacht, in einer umfangreichen Einführung legen es die Autoren dar. Naturgemäß wird auf die Subtexte der behandelten Werke größter Wert gelegt, aber die Autoren der einzelnen Beiträge vermeiden tunlichst eine krampfhafte Zuordnung zur schwulen Thematik. In Form und Anspruch entspricht Casta Diva durchaus einem konventionellen Opernführer. 157 Werke von 92 Komponisten werden in fundierten Artikeln vorgestellt, sie decken einen Zeitraum von 400 Jahren Musiktheatergeschichte ab. Jede behandelte Oper wird mit Angaben über den Komponisten, die Entstehung und die Handlung versehen. Verständlicherweise können nicht sämtliche Opern behandelt werden, sicher wird jeder Leser das eine oder andere ihm wichtige Werk vermissen, aber das liegt in der Natur der Sache. Warum aber mit Bergs „Wozzeck“, Janaceks“ Jenufa“ und B.A. Zimmermanns „Soldaten“ gleich drei Schlüsselwerke des modernen Musiktheaters nicht  behandelt werden, ist dann aber doch befremdlich, lässt sich aber vielleicht in einer späteren Auflage nachholen. Breiten , vielleicht zu breiten Raum nehmen zeitgenössische Werke ein, über deren nachhaltigen Verbleib im Repertoire ist das letzte Wort sicher noch nicht gesprochen.

Die 31 Autorinnen und Autoren  der einzelnen Beiträge werden im Anhang des Buches kurz vorgestellt, ihnen allen ist ein Ansatz eigen, der eine teilweise neue und ungewohnte Sicht auf die behandelten Werke ermöglicht. Um das Werk in der nun vorliegenden Form, auf hochwertigem Papier, zahlreichen mehrfarbigen Abbildungen und der bereits erwähnten Samtbeschichtung des Einbandes zu ermöglichen, griff der Verlag zu einer Crowdfunding-Kampagne, die auch das gewünschte Ziel nicht verfehlte. Sofern nicht anders gewünscht, wurden die Namen der Spender  im Anhang des Buches erwähnt.

Insgesamt gefällt der unorthodoxe und originelle Zugriff auf die Kunstform Oper, der sich der Konkurrenz unzähliger anderer Opernführer durchaus stellen kann!

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