Brahms und Suk : Petrenko setzt auf Sprödes

Brahms und Suk : Petrenko setzt auf Sprödes
© Wilfried Hösl

Für diesen winterlichen Abend hatte Kirill Petrenko ein Programm gewählt, das von gebrochenen Tönen gezeichnet war. Johannes Brahms‘ wahrhaft monumentales 2. Klavierkonzert, vom Komponisten selbst erst zwanzig Jahre nach dem Misserfolg seines ersten in Budapest uraufgeführt, ist allein schon mit seiner Länge eine Herausforderung für den Solisten.

Mit Sir András Schiff war ein Interpret der Spitzenklasse aufgeboten, der selbst erst kürzlich eine hoch gelobte Einspielung beider Brahms-Konzerte als Solist und Dirigent vorgelegt hatte.

Das Orchester und der Klavierpart gehen in diesem Werk über weite Strecken getrennte Wege. Schon zu Beginn versucht ein heroisches Thema aufzutrumpfen, wird aber schnell vom Klavier konterkariert. Brahms gelingt das Kunststück, gleichzeitig ein symphonisches Werk und ein Solistenkonzert zu schaffen. Zum ersten Mal enthält ein Solokonzert vier Sätze, was durch das als zweiten Satz eingeschobene Allegro appassionato den gesetzten Rahmen erweitert, während im lyrischen Andante ein berückend schönes Motiv vom Cello solo ausgeführt wird.
Das Finale schließlich, mit leichten Anklängen an die Ungarischen Tänze, hat einen fast fröhlichen, tänzerischen Grundcharakter. Die Düsternis mancher Passagen der ersten Sätze wird hier endgültig in freundlichem B-Dur aufgelöst.

© Olaf Malzahn

Für den Spitzenpianisten Schiff ist das Konzert eine perfekte Möglichkeit seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Die Differenziertheit seines Anschlags ist bemerkenswert, vom zartesten Piano bis zur kräftigen Dominanz in den Kopfsätzen steht ihm alles an Rüstzeug zur Verfügung. Petrenkos energisches Dirigat verbindet sich vorzüglich mit dem reifen Ansatz Schiffs für dieses Werk. Die Berliner Philharmoniker, für die Brahms zur DANA gehört, verhelfen dem Werk zu einer geschlossenen, markanten Interpretation.

Kirill Petrenko hat eine erklärte Vorliebe für den tschechischen Komponisten Josef Suk, dessen Werk er nicht müde wird, durch Aufführungen dem Vergessen zu entreißen.  Sicher kein Zufall, dass er am Abend seines 50. Geburtstages Suks Komposition „Lebensreife“ auf das Programm setzt. Dabei handelt es sich um ein ausdrücklich autobiographisch gedachtes Werk des Schwiegersohnes von Anton Dvorák. Das symphonische Werk für großes Orchester hat eigentlich die Form einer Symphonie, ist aber einsätzig. Breit fächert Suk das Durchlaufen verschiedener Lebensphasen auf, die einzelnen Passagen sind der Jugend, der Liebe, dem Schicksal, dem Leid und schließlich der Reife zuzuordnen. Gegen Ende fällt dezent ein Frauenchor ein, der bei dieser Aufführung unsichtbar außerhalb des Saales sang. Das schwerblütige Naturell Suks spiegelt sich in seiner Musik wieder, die in ständig sich wandelnden Motiven keine leichte Kost ist, aber letztlich doch durch ihre Schönheit überzeugen kann.

Dass Kirill Petrenko an diesem Abend seinen 50. Geburtstag feierte, blieb unerwähnt. Jede Art von Huldigung hätte aber auch dem zurückhaltend-bescheidenen Naturell des Dirigenten nicht entsprochen. Am Ende wurde ihm nur ein Blumenstrauß überreicht, den er gerührt an sein Herz drückte, mehr wollte er wohl nicht zulassen. Das Publikum kann sich nur wünschen, dass dieser Künstler Berlin und den Philharmonikern noch lange erhalten bleibt!

Foto: Kirill Petrenko © Wilfried Hösl

Philharmonie Berlin, 11. Februar 2022

Johannes Brahms
Konzert für Klavier und Orchester Nr.2

Josef Suk
Zrání  (Lebensreife)
Symphonische Dichtung für großes Orchester und Frauenchor

Berliner Philharmoniker
Kirill Petrenko  Dirigent

Sir András Schiff  Klavier

Damen des Rundfunkchors Berlin

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

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