Anna Netrebkos CD „Amata dalle Tenebre“: Viel Licht und viel Schatten

Anna Netrebkos CD „Amata dalle Tenebre“: Viel Licht und viel Schatten

Ganze fünf Jahre ließ die aktuell berühmteste Sopranistin der Welt ihre Fangemeinde auf eine neue CD warten. In der Zwischenzeit war La Netrebko zwar in verschiedenen Streams und vor allem live zu erleben, aber ein Studioalbum gab es nicht.

Eine Sängerin vom Rang einer Netrebko überlässt nichts mehr dem Zufall, und so ist die Wahl des Orchesters und des Dirigenten für diese neue CD ausgesprochen luxuriös. Niemand Geringerer als Riccardo Chailly und sein Orchester der Mailänder Scala breiten den opulenten Klangteppich aus, auf dem die Netrebko ihren großen Sopran entfalten kann, Aufnahmeort war der große Saal des Opernhauses.In den vergangenen Jahren ist die Stimme der Netrebko weiter gereift und größer geworden. Auch Partien des dramatischen Faches sind für die Künstlerin nun in unmittelbare Reichweite gerückt. Mit inzwischen 50 Jahren hat ihr Sopran  optimale Fülle und Farbenreichtum erreicht. Netrebko muss nichts mehr beweisen, das gibt ihr die große Freiheit, das Repertoire für diese CD ganz nach eigenen Wünschen auszuwählen, auch wenn die Zusammenstellung in Teilen etwas befremdlich wirkt.

Netrebko greift sowohl auf bereits Gesungenes zurück, als auch auf Partien, die sie wohl nie komplett singen wird. Das macht die Auswahl interessant,  führt aber auch zu einem etwas beliebigen Stil-Mix. Da steht Verdi neben Puccini, Tschaikowsky neben Wagner – das sind schon gewaltige Sprünge. Dass die Sängerin diese Aufgabe meistert, steht außer Frage. Aber gerade weil ihr die Partien des Deutschen Faches so gut liegen, ihre Arie aus Pique Dame vielleicht der beste Titel der CD ist, hätte man sich ein homogeneres Programm gewünscht. Ihre Ariadne, Elsa, Elisabeth und selbst die Isolde beweisen Netrebkos Eignung für dieses Fach, was seit ihrem Lohengrin-Debüt in Dresden nicht mehr verwundert.

Die italienische Oper ist die Domäne der Sängerin, das stellt sie mit Aida, Carlos-Elisabeth, Butterfly und Adriana Lecouvreur  eindrucksvoll unter Beweis. Die Stimme blüht  im Forte auf wie eine sich öffnende Knospe, das ist Gesangskultur auf höchstem Niveau. Dass Anna Netrebko Russin ist, gibt ihrer Lisa in Pique Dame die sprachliche und stilistische Authentizität. Selbst Purcells Dido gelingt ihr, auch wenn die Barockmusik sicher nicht ihre Stärke ist oder wird.

Es ist bedauerlich, dass die Sängerin sich nicht zu einem Album mit rein deutschem und/oder russischem Repertoire entscheiden konnte. Ihre Plattenfirma hätte ihr sicher jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Warum als vorletzter Track allerdings das Tristan-Vorspiel mit über 11 Minuten den Platz für mindestens eine weitere Arie blockiert, ist schwer nachvollziehbar. Musste da der Dirigent Chailly zu seinem Recht kommen?

Einziges und großes Ärgernis dieser luxuriös ausgestatteten Edition ist die Blu-Ray Disc, die einen Teil der Gesangsnummern auch filmisch aufbereitet. Was da an künstlerischer Unbedarftheit und Kitsch aufgeboten wird, spottet jeder Beschreibung. Anna Netrebko hätte bei der Auswahl des zuständigen Teams ähnliche Sorgfalt walten lassen sollen, wie bei Orchester und Dirigent.

Die Audio-CD ist ein absolutes Muss für alle Liebhaber des Operngesanges, besser kann man die meisten Stücke derzeit nicht hören.

Potentiellen Käufern sei aber die günstigere CD empfohlen, bei der auf den peinlichen Film verzichtet wird. Das spart nicht nur Geld, sondern auch Ärger.

Anna Netrebko, Amata dalle Tenebre

Orchester der Mailänder Scala
Riccardo Chailly

DG 486 1543

zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de

Menü schließen