Mit der soeben erschienenen „Winterreise“ hat Andrè Schuen nun alle drei Lieder-Zyklen Franz Schuberts veröffentlicht, sein kongenialer Partner war jeweils Daniel Heide, dessen Intentionen deutlich in die Gestaltung der Lieder einflossen. Er ist viel weniger Begleiter als Partner.
Die Aufnahmen erfolgten in der umgekehrten Reihenfolge ihres Erscheinens, die „Winterreise“ wurde bereits im Dezember 2019 eingespielt. Dieser Zyklus schauriger Lieder, wie der Komponist sie selbst bezeichnete, ist ein Prüfstein für jeden Interpreten, die Latte wurde von Generationen von Sängern reichlich hoch gelegt. Andrè Schuen behauptet sich gegen die zahlreiche Konkurrenz durchaus achtbar, sein kerniger, dunkler Bariton bringt schon einmal das nötige Volumen für die 24 sehr unterschiedlichen Lieder mit.
Mit dem Pianisten Daniel Heide hat er einen Partner zur Seite, der es versteht, kluge interpretatorische Akzente zu setzen. Allein die Wahl der Tempi ist für nicht wenige der Lieder entscheidend. Die Stimmung des unglücklichen Wanderers schwankt ja auch beständig zwischen tiefer Verzweiflung, optimistischen Anflügen und dem Versuch rationaler Bewältigung. Das verstehen Schuen und Heide sehr gut abzubilden.
Die beiden längsten, und vielleicht wichtigsten Lieder, das einleitende „Gute Nacht“ und der doppelbödige „Lindenbaum“, der vielfach schon zum populären Volkslied verkleinert wurde, gelingen erfreulich gut. Hier kann Schuen die Modulationsfähigkeit seines Baritons unter Beweis stellen, die ihm ein reiches Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten erlaubt.
In ihrer Gesamtheit sind die drei CDs ein interessanter Beitrag zum aktuellen Stand der Interpretation von Franz Schuberts Liedschaffen, das wohl dauerhaft die Krone dieser musikalischen Form bleiben wird. Mit der „Winterreise“ hat Andrè Schuen sich nachhaltig in den Kreis der Interpreten eingeschrieben.
Franz Schubert
Winterreise
Andrè Schuen
Daniel Heide
Deutsche Grammophon 486 1288
zuerst erschienen bei http://www.klassik-begeistert.de